Istanbuls Torhüter Demirel: Ausgelacht und beklatscht

Volkan Demirel hält drei Elfer und kämpft sich mit Fenerbahce Istanbul ins Viertelfinale der Champions-League - als erste türkische Mannschaft.

"Volkan hat uns gekränkt, aber dann Freude bereitet", schrieb Hürriyet. Bild: dpa

KARLSRUHE taz Und dann sind sie hinter ihm her wie von Wespen gestochen: rasend und unbarmherzig. Volkan Demirel hielt sich gut, aber nach 30 Metern, direkt vor der Haupttribüne im Stadion des FC Sevilla, fingen die Mitspieler den Torwart von Fenerbahce Istanbul ein und begruben ihn unter sich, dass es einem Angst werden konnte um ihn. Als sich das Freudenknäuel schließlich aufgelöst hatte, lief dem 27 Jahre alten Torhüter der türkischen Nationalmannschaft ein Sturzbach aus Tränen übers Gesicht. "Ich danke Allah", sagte Volkan: "Und ich danke meinen Kollegen, für die große Unterstützung."

Volkan Demirel war erleichtert wie noch nie in seinem an Pannen reichen Fußballerleben. Es gibt wohl kaum einen Torhüter im Weltfußball, dessen Taten ebenso regelmäßig zu Gelächter anstiften wie zu bewunderndem Applaus. Auch am Dienstagabend in Andalusien hätte sich Volkan statt auf eine Ehrenrunde auf einen Spießrutenlauf einstellen müssen, wäre Fenerbahce Istanbul beim FC Sevilla aus der Champions League ausgeschieden. Dass aber am Ende Fenerbahce als erste türkische Mannschaft überhaupt ins Viertelfinale einzog, verdankte der türkische Rekordmeister von der asiatischen Seite der Millionenmetropole am Bosporus dann doch den Paraden seines Keepers.

Das Hinspiel in Kadiköy hatte Fener 3:2 gewonnen und mit dem gleichen Ergebnis für die Andalusier endeten die 90 spannenden Minuten in Sevilla; auch die Verlängerung brachte keine Entscheidung. Im Elfmeterschießen aber hielt Volkan drei Elfmeter der Spanier. Es war eine klassische from Zero-to-heroe-Geschichte, wie sie der Sport in seinen verdichtenden Heldensagen schon oft geschrieben hat. Denn nach neun Minuten der regulären Spielzeit lag Fenerbahce bereits 0:2 zurück, und die Mannschaft des brasilianischen Trainers Zico hatte dies vor allem der Tapsigkeit ihres Torhüters zu verdanken. Zunächst boxte Volkan den Ball nach einem Freistoß von Dani Alves aus 25 Metern gegen seine Bestimmung ins eigene Tor. Und beim 0:2 ließ Volkan den Ball nach Keitas Weitschuss passieren, als habe er eine Allergie gegen alles Runde.

Die Fehlgriffe und Pechvogeleien des Modellathleten sind Legende. Vor zweieinhalb Jahren trat er beim Champions-League-Spiel gegen Schalke über den Ball und ermöglichte so Kevin Kuranyi ein Tor. Der Mann, der das Torwartspiel beim Istanbuler Klub Kartalspor erlernte und später Rüstü Receber bei Fenerbahce verdrängte, war bisher wahrlich nicht von Glück verfolgt. Als er einmal nach starker Leistung und einem gewonnenen Derby gegen Galatasaray sein Trikot in die Kurve warf, verletzte er sich dabei schwer und musste lange pausieren.

Volkan kann aber auch anders und sicherte Fener in der Saison 2003/04 durch konstant starke Leistungen in der Rückrunde die Meisterschaft. Im Sommer wird er als Nummer eins der türkischen Nationalmannschaft zur EM reisen. Wie schmal der Grat war, auf dem Volkan am Mittwoch wandelte, zeigt sich in den Pressestimmen: "Volkan hat uns gekränkt, aber dann Freude bereitet", schrieb Hürriyet. Fenerbahce-Präsident Aziz Yildirim sieht den Klub nach dem Erreichen der letzten acht nun auf einer Stufe mit den ganz großen des Weltfußballs. "Wir behaupten immer, dass Fenerbahce einer der größten und stärksten Vereine der Welt sein wird. Jetzt sind wir so weit", jubelte der jähzornige und steinreiche Bauunternehmer nach dem Triumph.

Durch den Ausbau des Stadions zu einem der modernsten Europas und dem Aufbau einer funktionierenden Marketing-und Merchandising-Abteilung hängte er die Stadtrivalen Besiktas und Galatasaray wirtschaftlich ab. "Die türkische Liga interessiert uns nicht mehr, wir wollen Erfolge in Europa", sagte Yildirim jüngst. Die heimische Süperlig wird da gerne mal als "Mami-Liga" verspottet.

Konsequent trieb Yildirim auch die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten ausländischer Spieler voran: In der Türkei sind nun sechs Ausländer pro Spiel zugelassen. In Fenerbahces Kader stehen mehrere Brasilianer, darunter die mittlerweile eingebürgerten Vederson und Aurelio, der auch türkischer Nationalspieler ist. Yildirim will künftig Weltstars nach Istanbul locken. Vor dieser Saison wurde etwa Roberto Carlos von Real Madrid verpflichtet. Der fehlte allerdings beim Triumph in Sevilla. Aber Fenerbahce hatte ja Volkan Demirel, einen der wohl bemerkenswertesten Torhüter des Weltfußballs.

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